Von meinen Eltern wusste ich, dass es in Rastadt zu Erschießungen gekommen ist. Immer hätte man Schüsse von jenseits des Flusses gehört. Was sich aber in Rastadt und den umliegenden Dörfern wirklich abgespielt hat, wurde mir in seiner ganzen Grausamkeit erst durch das Lesen in der Dissertation (Autor: Steinhart, Eric Conrad) „CREATING-KILLERS-THE-NAZIFICATION-OF-THE-BLACK-SEA-GERMANS-AND-THE-HOLOCAUST-IN-SOUTHERN-UKRAINE-1941-1944“ klar.
Auszug aus der Dissertation: Seite 348
In Rastadt [sic], roughly 500 to 600 Jews were housed in the cow barn at the fork in the road to München and Neu-Rastadt [Klein Rastadt]. . . . From a distance of about 600 meters I witnessed hundreds of [Jews] shot on a hill north of Rastadt [sic]. I could tell that these people had to strip naked. They were brought to a specially dug pit and shot. When the wind blew in the right direction, one could hear the screams and whimpers of these people clearly. The mass executions at this place continued for many days and each time several hundred Jews were shot. One evening after an execution I was standing near the pit and saw that it was 5 x 6 meters in size and had a depth of 15 meters. In the pit a kind of grate had been constructed and under the grate a fire burned constantly. The victims fell onto the grate and burned up. One could clearly see charred human remains in the pit.
Es gibt viele Schilderungen, die in die gleiche Richtung gehen. Eine besondere Rolle hatten die sogenannten Volksdeutschen, die dem Selbstschutz angehörten. In Dörfern des Siedlungsgebietes nördlich von Odessa wurde von den Nazis der sog. Volksdeutsche Selbstschutz (VDS) aufgestellt, bestehend aus 8000 bis 9000 Mann an, die dem Sonderkommando R (für Russland) unterstanden, unter Führung des SS-Standartenführers Horst Hoffmeyer.
Der Volksdeutsche Selbstschutz war an den Mordaktionen in maßgeblicher Weise beteiligt. Die Täter waren junge Volksdeutsche aus jenen Orten mit den deutschen Namen. Mancher von ihnen war gerade 18 Jahre alt. In der oben genannten Dissertation befindet sich auf den Seiten 454 bis 460 eine Auflistung von Männern, die dem Sonderkommando R / Bereichskommando Rastadt zugerechnet werden.
[Zoomen der Listen mit Mausklick]
Die Anzahl der jüdischen Menschen, die während des Winters 1941/1942 vom Selbstschutz in den volksdeutschen Gebieten ermordet worden waren, ist nicht mehr ermittelbar. Es dürfte sich dabei aber mindestens, nach Angaben des Auswärtigen Amtes, um 28 000 Opfer gehandelt haben. [Quelle: Nürnberger Dokument NG 4817: Schreiben Rademachers an den Reichsminister für die besetzten Ostgebietevom 12.5.1942, Auf das Schreiben vom 10. April ds. Js. Nr1/627/41 g Geheim., Betr. Abschiebung vonrumänischen Juden am Bug. „Nach Transnistrien wurden die 28 000 Juden in deutsche Dörfer gebracht! inzwischen wurden sie liquidiert.“]
Das Hab und Gut der ermordeten Juden wurde unter den Selbstschutz-Mitgliedern und den Einwohnern des Dorfes verteilt. (Seite 346-347)
(Begin)The amount of property that this robbery netted for Bereichkommando XI was so large that Hartung simply could not give it all away to the executioners and was forced to warehouse many of the items in Rastatt. Franz F., who lived next to the impromptu warehouse, described its contents: ―On the neighboring farm, there was a cow barn, approximately 10 x 8 m[eters] in size, which was full of articles of clothing that had come from the [Jewish] victims. A member of the Selbstschutz stood guard there through the night. Photos and identification papers from the victims lay on the field in front of the barn and children picked them up and played with them.
To ensure that no hidden valuables had escaped him, Hartung selected a couple of old ethnic German women to search through the items in the cow barn and to surrender any discovered valuables to him.Except for the most choice pieces, which he and his fellow Germans kept for themselves or sold in local stores, Hartung ordered the Selbstschutz to distribute the remaining clothes to area Volksdeutsche.[End)
(Begin) Neben den bereits geschilderten wirtschaftlichen Zugeständnissen durch die Rumänen hatten die Volksdeutschen und die sie repräsentierende Vomi auch ganz handfeste materielle Vorteile durch die Ermordung der Juden. Die Bekleidungstücke der Getöteten wurden auf die volksdeutschen Dörfer verteilt94, sämtliche Wertgegenstände (Gold, Ketten, Ringe, Uhren, Goldrubel etc.) dagegen ‑ auch solche die später noch eingenäht in den Bekleidungsstücken gefunden wurden ‑ mußten an den Hauptstab des Sk R abgeliefert werden. Die Wertsachen beließ Hoffmeyer zunächst beim Stab, wo er auch Mitgliedern seines Kommandos gestattete, daß sie für notwendigen Zahnersatz vom Gold der Ermordeten einen Teil erhalten sollten, wovon diese für sich und ihre Familien ausgiebig Gebrauch machten. Eine Zeugin erinnerte sich: „Herr M [… ] war bei der volksdeutschen Mittelstelle angestellt und verwaltete eine Bekleidungskammer, in der die Bekleidungsstücke der jüdischen Bevölkerung, die beschlagnahmt waren, verwaltet wurden. Diese Bekleidung wurde an die Voffideutschen ausgegeben. Herr M … ] selbst trug SS‑ Uniform. Seine beide Töchter Veronica und Magarethe waren auf Grund seiner Stellung wie Prinzessinnen angezogen. Sie trugen die besten Kleider und Schmuckstücke von den beschlagnahmten jüdischen Sachen.“ (End) (vgl. Andrej Angrick, Auszüge aus einem nicht veröffentlichten Manuskript)
Zum Thema NS-Verbrechen gibt es viele Hinweise im Netz, unter anderem über den aus Rastadt stammenden Alfons Götzfried:
https://www.focus.de/politik/deutschland/ns-verbrechen-goetzfrids-geheimnis_aid_168948.html
https://www.independent.co.uk/news/british-failed-to-spot-nazi-mass-killer-1148304.html
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/goetzfrid-ex-gestapo-mann-angeklagt-a-19847.html
In der Veröffentlichnung „Aktion 1005“ – Spurenbeseitigung von NS-Massenverbrechen 1942 – 1945″ (Andrej Angrick, Seite 604) gibt es einen Hinweis auf die Beiteiligung des Volksdeutschen Eugen Stücka aus Odessa (der genaue Herkunftsort ist Rastadt) als Dolmetscher.
Als Dolmetscher werden der dienstverpflichtete Studienrat Obermüller (Spitzname: »Brosche Pana« oder »Jawohl mein Herr«) und ein Eugen Stücka (Volksdeutscher aus Odessa) genannt. Ebenda, Bl. 5851. 310 141 Js 204/60 der StAnw …